Die Namen des Ehepaares Kurt und Hertha Fuchs aus Oberpoyritz, die als
„Gerechte unter den Völkern“
von der Gedenkstätte YAD VASHEM Jerusalem
1995 ausgezeichnet wurden, sind untrennbar mit dem Dresdner Zwangsarbeitslager Schandauer Straße 68 verbunden, seit dort drei jüdischen Häftlingen die Flucht gelang.
Abraham Stzajer und Roman Halter überlebten, weil Kurt und Hertha Fuchs für sie ihr Leben riskierten.
Leider gab es nur wenige Deutsche, die sich für verfolgte Juden einsetzen, obgleich sich dieses KZ-Außenkommando mitten im dicht besiedelten Stadtteil Striesen befand.
Viele Dresdner wussten um solche Zwangsarbeiterlager innerhalb anonymer Fabrikgebäude. Konzentrationslager waren zu Kriegsende nichts Unbekanntes mehr, sondern befanden sich oft vor der eignen Haustür.
Während des Zweiten Weltkrieges gehörten zu den zentralen
Vernichtungslagern noch hunderte „kleinerer“ Arbeitslager, die vorwiegend der Aufrechterhaltung der Kriegsproduktion dienten.
Ein solches zentrales Arbeitslager war auch das KZ Flossenbürg / Weiden in der Oberpfalz. Ihm waren mehrere Außenkommandos für die deutschen Rüstungsindustrie unterstellt, so z.B. die Deutschen Munitionswerke in Polen.
Vor der vorrückenden Sowjetarmee immer weiter westwärts fliehend, wurde dieser Rüstungsbetrieb 1944 in den Gebäudekomplex einer Dresdner Tabakfabrik evakuiert, – auf das Gelände der damaligen Jasmatzi-Zigarettenfabrik
Dresden-Striesen A 21, in der Schandauer Straße 68.
In diesem Gebäudekomplex richtete sich von November 1944 bis Mai 1945 der
Rüstungsbetrieb „Fa. Bernsdorf & Co“
ein und forderte dazu 284 weibliche und 216 männliche Arbeitssklaven aus Flossenbürg an.
→ Telegramm
Diese Arbeitsfähigen unter den jüdischen Häftlingen kamen aus dem Ghetto Lodz nach Auschwitz-Birkenau und aus dem durch seine Selektionen berüchtigten KZ Stutthof.
Bei den 500 Zwangsarbeitern im Dresdner Außenlager handelte es sich vorwiegend um jüdische Kinder und Jugendliche, die zur Herstellung von Geschosskernen und anderer kleinteiliger Munition an komplizierten Werkzeugmaschinen lebensgefährliche Arbeiten verrichten mussten.
So auch der damals 11-jährige Harry Radzyner, einer der wenigen überlebenden Kindersklaven des Dresdner Rüstungsbetriebes Schandauer Str. 68.
Jahrzehnte später gründete er eine Stiftung, die zu Ehren seines Vaters dessen Namen trägt
Moe Radzyner Stiftung Brückenschlag
Am 10. Oktober 2002
kamen auf Einladung des Dresdner Oberbürgermeisters, Dr. Ingolf Roßberg, und auf Initiative des Jüdischen FrauenVereins Dresden zusammen mit der Stiftung Sächsischer Gedenkstätten 36 überlebende Zwangsarbeiter jener „Fa. Bernsdorf & Co“ zum Gedenken an die hier umgekommenen Opfer zur Schandauer Str. 68.
Am Eingang der jetzigen Zigarettenfabrik „Philip Morris“, dem Nachfolger von Jasmatzi (1890-1949) und F6 (1949-1990)
enthüllten → Fotos Radzyner und Kurschus
→ Logo von Philip Morris GmbH
der Gründungsvorsitzende der Moe Radzyner Stiftung Brückenschlag,
Herr Dr. jur. Harry Radzyner
und
der Werkdirektor des Gebäudeeigners der f6 Cigarettenfabrik Dresden, einem Tochterunternehmen der Philip Morris GmbH
Herr Günter Kurschus
eine → Foto vom Eingang
Gedenktafel
zur Erinnerung an die Nazi-Verbrechen jener Zeit:
Zwischen November 1944 und Mai 1945 befand sich auf diesem Gelände in der Schandauer Straße 68, ein Außenkommando des Konzentrationslagers Flossenbürg. Etwa 500 Gefangene, vor allem Juden aus Polen, mussten
hier Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Sie litten unter den Quälereien der SS-Lagerführung, nur wenige Deutsche setzten sich für erträglichere Lebensbedingungen der Häftlinge ein. Viele Gefangene wurden bei der Zwangsarbeit oder auf den Todesmärschen am Ende des Zweiten Weltkrieges zu Tode geschunden.
Moe-Radzyner-Stiftung Stiftung Sächsischer
Brückenschlag Gedenkstätten 2002HERTHA FUCHS Jüdisch
Hertha Fuchs (YAD VASHEM Akte 5964)
Der israelische Botschafter Avi Primor ehrte in Anwesenheit des Sächsischen Ministerpräsidenten, Prof. Kurt Biedenkopf, und des Oberbürgermeisters der Stadt Dresden, Dr. Herbert Wagner, in einer auch vom Fernsehen übertragenen Feierstunde vor über 100 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, sowie dem Nachbarschafts- und Freundeskreis von Oberpoyritz
Hertha Fuchs geb. Müller (geboren am 8. Mai 1908)
und postum ihren Ehemann
Kurt Fuchs (geboren am 22. November 1908 – erschossen am 12. Mai 1945)
als „Gerechte unter den Völkern“ der Nationalen israelischen Holocaust-Gedenkstätte. Sie wurden zu einem Symbol für jene Deutsche, die in der Nazi-Zeit bewiesen, wie viel der Mut des Einzelnen bewirken kann, wenn er seine Hilfe für die Bedrängten über die Angst um das eigene Schicksal stellt.
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Das kinderlose Ehepaar Fuchs lebte im Dorf Oberpoyritz bei Dresden, – in einem kleinen Siedlungshaus, dem Geburtshaus von Hertha Fuchs geborene Müller. Kurt Fuchs, von Beruf Schuhmacher, war während des Krieges als Sanitäter eingesetzt. Er und seine Frau nahmen als Lutheraner das Gebot christlicher Nächstenliebe sehr ernst.
In Striesen, einem Stadtteil in Dresden-Ost, wohnten gute Freunde von Hertha und Kurt Fuchs. Sie kannten sich aus gemeinsamen Jugendtagen und teilten seit 1933 auch ihre antifaschistische Gesinnung.
In unmittelbarer Wohnungsnähe dieser Striesener Freunde befand sich die Zigarettenfabrik „Jasmatzi“, Dresden A-21 (heute 01277) Schandauer Str. 68, in der ein Rüstungsbetrieb für Munitionsherstellung, die Firma Bernsdorf & Co, untergebracht war.
Hierher kamen jüdische Kinder und Jugendliche aus dem Ghetto Lodz, die über Auschwitz-Birkenau ins KZ Stutthoff deportiert und dort bei der Selektion zur Zwangsarbeit „begnadigt“ worden waren.
Die dem Dresdner Zwangsarbeitslager zugeteilten Gefangenen wurden seit Herbst 1944 vom Güterbahnhof Dresden-Neustadt durch die Schandauer Straße bis zur Nummer 68 getrieben. Nicht alle Anwohner sahen diesem Verbrechen tatenlos zu, sondern nutzten – um Näheres zu erfahren – ihre Kontakte zur Zigarettenfabrik.
Denn Tabakerzeugnisse waren in Zeiten kriegsbedingter Lebensmittelknappheit begehrte Tauschobjekte. Viele Striesener gingen deshalb bei „Jasmatzi“ ungehindert ein und aus. So erfuhren sie vom deutschen Arbeitsleiter der jüdischen Gefangenen von deren menschenunwürdigen Lebensbedingungen.
Beim Bombenangriff am 13. Februar 1945 wurde die Munitionsfabrik schwer beschädigt. Die zivilen Wachleute flohen aus dem Rüstungsbetrieb, aber die SS-Lagerführung trieb die Zwangsarbeiter erst zur Enttrümmerung an, – und nach drei Tagen auf einen Marsch, der als Todesmarsch enden sollte.
Die Zwangsarbeiter Abraham Sztaier und Josef Adam Szwajcer konnten aus dem Marschblock entkommen.
Jene mutigen Dresdner, die nahe des Rüstungsbetriebes wohnten, nutzten jetzt das Chaos. Sie vermittelten über den deutschen Arbeitsleiter den Flüchtlingen den Kontakt zum Ehepaar Fuchs in Oberpoyritz, von deren antifaschistisch-christlichen Gesinnung sie wussten.
Tage später kam noch der 17-jährige Roman Halter nach Oberpoyritz.
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Oberpoyritz, ein unzerstörtes Dorf nordöstlich von Dresden, wurde von Ausgebombten überrannt, die aus dem brennenden Stadtzentrum flohen, so dass die Flüchtlinge vorerst nicht auffielen. Schwieriger wurde es in den folgenden Wochen, als die vorübergehend einquartierten Dresdner das Dorf Oberpoyritz wieder verließen, um die ihnen zugewiesenen Wohnungen in nicht bombardierten äußeren Stadtteilen Dresdens zu beziehen.
In einem Dorf, wo jeder jeden kennt, fielen die drei Fremden sofort auf, – zumal bei Herthas Ursprungsfamilie Müller noch nie von polnischen Freunden die Rede gewesen war. Kurt und Hertha Fuchs gaben deshalb die drei Flüchtlinge, von denen nur Abraham Sztaier etwas deutsch sprach, als „katholische Fremdarbeiter aus Polen“ aus.
Niemand außer Kurt und Hertha Fuchs durfte wissen, dass es sich um geflohene jüdische Zwangsarbeiter handelte, – am wenigsten der NS-Ortsbauernführer, der sich wunderte, warum die drei jungen Männer keine eigne Kleidung besaßen, sondern die ihm bekannte, abgelegte Kleidung von Kurt Fuchs trugen.
Als am 11. Mai 1945 endlich die Kunde von der bereits drei Tage zuvor erfolgten Kapitulation Hitler-Deutschlands bis nach Oberpoyritz drang, gaben die angeblichen Polen ihre jüdische Identität preis:
Abraham Sztaier und Josef Adam Szwajcer dankten ihren Rettern öffentlich für die wochenlange Unterbringung, z.B. auch dafür, dass es Hertha Fuchs geschafft hatte, drei ausgehungerte junge Männer von den kargen Rationen der eigenen zwei Lebensmittelkarten mit zu ernähren.
Der Ortsbauernführer und andere örtliche Nationalsozialisten des Gemeinderates waren empört, dass geflüchteten Juden geholfen worden war. Sie beschimpften das Ehepaar Fuchs antisemitisch und drohten, sich für diesen „Verrat am deutschen Volk“ zu rächen.
Gelegenheit dazu erhielt die Nazi-Clique bereits am nächsten Tag:
Am 12. Mai 1945 liefen Abraham Sztaier und Josef Szwajcer einer Truppeneinheit entgegen, die durchs Dorf marschierte, – im guten Glauben, dass diese russisch sprechenden Soldaten nur Angehörige der Roten Armee sein konnten…
….. nicht wissend, dass es sich um eine der deutschen Wehrmacht angeschlossene Truppeneinheit des ukrainischen Nationalisten General Wlassow handelte, die zusammen mit der Waffen-SS für Treibjagden auf Juden in den besetzten Gebieten verantwortlich gewesen war. – Der Ortsbauernführer erkannte seine Chance, Rache an dem ihm seit 1933 verhassten Antifaschisten Kurt Fuchs und seiner aus christlicher Nächstenliebe handelnden Ehefrau Hertha zu nehmen.
Nach einem vom Ortsbauernführer und seiner immer noch an den „Endsieg“ glaubenden Clique einberufenen Standgericht wurden Kurt Fuchs zusammen mit Abraham Sztaier und Josef Adam Szwajcer zum Tode „verurteilt“. Die Nazis des Dorfes stellten die drei zum Erschießen an die Wand des Gemeindeamtes, – bei den nationalistischen Ukrainern auf ein faschistisches Hinrichtungskommando hoffend.
Roman Halter war auf eigene Faust bereits zu Fuß nach Polen unterwegs, um dort – wie er glaubte – seine Familie wiederzutreffen. So entging er dem „Standgericht“.
Bei der Wlassow-Truppe wog die Angst, als Angehörige der Hitler-Wehrmacht der Roten Armee in die Hände zu fallen, schwerer, als die kleinliche Rache einiger deutscher Nazis, so dass der Ortsbauernführer nur einen jungen Ukrainer am Weiterziehen hindern konnte.
In Eile richtete dieser sein Maschinengewehr auf Kurt Fuchs und zerfetzte auch den daneben stehenden Josef Adam Szwajcer. Beim Nachladen riss Abraham Sztajer dem verdutzten Wlassow-Soldaten die Waffe aus der Hand, – im Wissen, dass er so oder so nichts mehr zu verlieren hatte, und rannte um sein Leben in Richtung Dresden.
Für seinen Retter Kurt Fuchs und den ehemaligen Mitgefangenen Josef Adam Schweitzer kam Abraham Sztaiers Todesmut zu spät.
Kurt Fuchs ging in den Tod, um jüdischen Menschen zu helfen; er wurde nur 37 Jahre alt.
In Dresden gab sich Abraham Sztaier – seinen polnischen Akzent erklärend – als „Reichs-Deutscher aus den Ostgebieten, der unterwegs ausgeraubt worden war“ aus und nannte in der Dresdner Hilfsstelle für Ausgebombte einen falschen Namen. Nach seinen mehr als schlechten Erfahrungen in Oberpoyritz erschien es Abraham Sztajer nicht sehr ratsam, sein Verfolgungsschicksal als jüdischer Zwangsarbeiter in Dresden preiszugeben!!
Mit neuen Papieren ausgestattet, schaffte er es, sich immer westwärts haltend, bis zu den Amerikanern durchzuschlagen.
Bei den US-Soldaten wurde Abraham Sztajer mit offenen Armen empfangen, dienten doch viele einst aus Hitler-Deutschland geflohene Juden in der US-Army.
Von US-Stützpunkt in Milano kam Abraham Sztajer mit einem amerikanischen Schiff direkt nach Palästina, ohne zuvor ins „Auffanglager für jüdische KZ-Überlebende“ durch die britischen Mandats-Regierung nach Zypern evakuiert zu werden.
Abraham Sztajer traf auf Freunde aus Lodz, die vor dem deutschen Überfall auf Polen geflohen waren, nun in Tel Aviv lebten und ihm ein Zuhause boten. Nach Gründung des Staates Israel und seinem Jurastudium leitete Abraham Sztajer bis zu seinem Tod 2004 eine der größten Anwaltskanzleien in der Horkanus, einem Nobelviertel von Tel Aviv.
Die Kanzlei von Abraham Sztajer – ab 1973 zusammen mit seiner Tochter Chava geführt – war maßgeblich an den israelischen Entschädigungsverhandlungen mit den deutschen Behörden für jüdische Überlebende aus dem Ghetto Lodz beteiligt.
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Roman Halter traf nach seiner heimlichen Flucht aus Oberpoyritz Anfang Mai 1945 niemanden mehr aus seiner jüdischen Großfamilie in Polen.
Während seiner Deportation nach Auschwitz-Birkenau, und danach über Stutthoff ins Dresdner Zwangsarbeitslager 1944 waren auch Roman Halters Eltern und Geschwister in Vernichtungs- und Arbeitslager verschleppt worden. In der Villa seines Vaters wohnten jetzt Polen, die dem ungebetenen Rückkehrer nach dem Leben trachteten.
Roman Halter musste sich in der eigenen Heimat vor seinen polnischen Landsleuten verstecken, denen sein Überleben alles andere als recht war, – hatten sich doch viele Polen in den verlassenen jüdischen Wohnungen hervorragend eingerichtet.
Von den Alliierten, die nach heimatlos herumirrenden Holocaust-Überlebenden suchten, wurde der 17-Jährige halbverhungert aufgegriffen. Ein britischer Offizier nahm ihn mit nach Hause.
In England studierte Roman Halter an der Kunstakademie und wurde später als Freischaffender für die künstlerische Glasfenstergestaltung vieler sakraler Bauten in Europa und Israel berühmt. Roman Halter wohnte bis zu seinem Tod im März 2012 in London. Tochter Aloma und zwei weitere Kinder von Roman leben in Jerusalem.
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Hertha Fuchs hatte seit dem Tod ihres Mannes Kurt Fuchs am 12. Mai 1945 unter den Alt-Nazis zu leiden, von denen einige – als „Mitläufer“ entnazifiziert – bald wieder als führende SED-Funktionäre in Oberpoyritz das Sagen hatten. In ihrer dörflichen Heimat wurde sie als „Polen-Schlampe“ beschimpft. Gemeint war natürlich, dass sie Juden versteckt und damit „Schande über Oberpoyritz“ gebracht hatte…!
Von Tel Aviv und London aus versuchten die Geretteten, Hertha Fuchs unabhängig voneinander zu helfen, da sie über Bekannte aus der BRD, die sie besuchten, von ihrer ärmlichen Lage erfahren hatten. In westdeutschen Zeitungen wurde über das Schicksal des Ehepaares Fuchs berichtet, aber die DDR-Behörden verhinderten jeden Kontakt. Zur Witwe geworden und von den Nachbarn ausgegrenzt, arbeitete Hertha Fuchs bis zur Rente als Wasch- und Putzfrau, – und auch noch danach, denn die DDR-Rente reichte kaum zum Leben.
Erst nach der politischen Wende gelang der Kontakt, indem Roman Halter 1991 kurzerhand nach Oberpoyritz fuhr und das ihm bekannte Haus aufsuchte, in dem er 1945 versteckt worden war.
Abraham Sztaier gelang der Kontakt über eine ihm bekannte Dresdner Familie, die bereits 1944/45 den jüdischen Zwangsarbeitern in der Firma Bernsdorf & Co. Schandauer Str. 68 geholfen und ihnen die Fluchtadresse zum Ehepaar Fuchs vermittelt hatte.
Unabhängig voneinander schrieben Abraham Sztaier und Roman Halter an den Direktor der 1950 neugegründeten Gedenkstätte YAD VASHEM, Dr. Mordechai Paldiel, und bezeugten die mutige Tat, – aber zu Hertha Fuchs drangen diese Informationen erst nach 1990.
Dann dauerte die Überprüfung nochmals zum 2. April 1995, bis die Anerkennung als „Gerechte unter den Völkern“ durch YAD VASHEM erfolgte.
Am 28. Februar 1996 verlieh der Staat Israel im Dresdner Kulturrathaus den zwei mutigen Helfern, denen zwei jüdische Zwangsarbeiter ihr Überleben verdanken, den Titel „Gerechte unter den Völkern“ der Nationalen israelischen Holocaust-Gedenkstätte:
Hertha Fuchs geb. Müller und postum ihren Ehemann Kurt Fuchs
Während des Zweiten Weltkrieges gehörten zu den zentralen Vernichtungs- und Arbeitslagern noch hunderte „kleinerer“ KZ-Außenlager, in denen Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie geleistet werden musste.
Ein solches zentrales Arbeitslager war das Konzentrationslager Flossenbürg / Weiden in der Oberpfalz. Ihm waren mehreren Außenlager unterstellt, so auch das durch seine Selektionen berüchtigte KZ Stutthoff.
Die Arbeitsfähigen unter den jüdischen Häftlingen wurden in andere Außenkommandos deportiert, von denen sich eines auf dem Gelände der ehemaligen Jasmatzi-Zigarettenfabrik
Dresden-Striesen A 21, in der Schandauer Straße 68.
befand. Hier arbeitete von November 1944 bis Mai 1945 der
Rüstungsbetrieb Bernsdorf & Co
mit immer wieder neu aus Flossenbürg angeforderten Häftlingen, die aus dem Ghetto Lodz nach Auschwitz-Birkenau und von da aus nach dem KZ-Lager Stutthoff verschleppt worden waren.
Bei den 500 Zwangsarbeitern in Dresden handelte es sich vorwiegend um jüdische Kinder und Jugendliche, die zur Herstellung kleinteiliger Munition an lebensgefährlichen Maschinen arbeiten mussten. Von 500 überlebten nur 50.
Zu den wenigen Deutschen, die jüdischen Häftlingen nach ihrer Flucht halfen, gehörte das Ehepaar Kurt und Hertha Fuchs.
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Seit dem 10. 10. 2002 erinnert eine Gedenktafel am Eingang der jetzigen Zigarettenfabrik „Philipp Morris“,
dem Nachfolger von Jasmatzi (1890-1949) und F6 (1949-1990):
Zwischen November 1944 und Mai 1945 befand sich auf diesem Gelände in der Schandauer Straße 68, ein Außenkommando des Konzentrationslagers Flossenbürg. Etwa 500 Gefangene, vor allem Juden aus Polen, mussten hier Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Sie litten unter den Quälereien der SS-Lagerführung, nur wenige Deutsche setzten sich für erträglichere Lebensbedingungen der Häftlinge ein. Viele Gefangene wurden bei der Zwangsarbeit oder auf den Todesmärschen am Ende des Zweiten Weltkrieges zu Tode geschunden.
Moe-Radzyner-Stiftung Stiftung Sächsischer
Brückenschlag 2002 Gedenkstätten
Immer wieder berichteten die Zwangsarbeiterinnen von ihrem großen seelischen Dilemma:
Sehr gute Arbeit sicherte ihnen zwar das Überleben, unterstütze aber gleichzeitig die Nazis-Kriegsverbrecher. Je perfekter die hergestellte Munition, umso größer die Verluste ihrer eigenen Landsleute, umso brutaler die Vernichtung des jüdischen Volkes.
Aber auf Sabotage stand ein qualvoller Tod jedes Einzelnen.
Für eine gemeinsam organisierte Aktion der Häftlinge aber fehlten ihnen Verständigungsmöglichkeiten und Erfahrungen.
Unsere Zeitzeugen der Ausstellung „Fragt uns…“ nennen in ihren lebensbiografischen Interviews auf erschütternde Weise jene Verbrechen, die Deutsche den Juden angetan haben, – in den besetzten Gebieten aber auch hier in Deutschland.
Deutschland während der NS-Zeit:
Deutsche waren Judenmörder, Denunzianten, Mitläufer – an diesen Verbrechen wird sich niemals etwas ändern.
Aber Deutsche waren eben auch Juden-Retter – das ist die andere Seite
Da gibt es aber glücklicherweise noch eine andere, viel zu selten genannte Seite.
wie es Arno Lustiger in seinem Buch „Rettungswiderstand – über die Judenretter in Europa während der NS-Zeit“ beschreibt,
um den mutigen Leistungen der Unzähligen, die Juden halfen oder es wenigstens versuchten, einen Platz in der Erinnerung einzuräumen.
Arno Lustiger wollte der Ausrede, „man konnte ja gar nichts gegen die Judenverfolgung tun“ auf diese Weise widersprechen.
Den Ehrentitel der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird jenen für lebensrettende Hilfe verliehen, die sie in der Zeit des Nazi-Regimes verfolgten Juden gewährten. Dies ist die höchste Auszeichnung, die Israel an Nicht-Juden vergibt.
Sie nahmen die Gefahr auf sich, jüdische Flüchtlinge zu verstecken.
Sie bewiesen Mut, als alle schwiegen oder mitmachten. heidrunhannusch
Nachrichten aus Israel 1992:
Die israelische Holocaust- Forschungs- und Gedenkstätte YAD VASHEM verteilte an Nicht-Juden das Prädikat „Gerechte der Völker“, weil sie in der Nazi-Zeit verfolgte Juden retteten.
In der Jerusalemer Allee der „Gerechten der Völker“ erhielten Oskar Schindler und viele andere einen Baum, weil sie Juden retteten.
Wie heißt es doch von den Gerechten: „Auch des Nachts erlischt ihre Lampe nicht“ (Sprüche 31,18).
Ghetto von Lodz
deutscher Arier
ein Denkmal zu setzen. Ich hatte mich dazu mit der Moe-Radzyner-Stiftung, dessen Direktor selbst als Jugendlicher dort arbeiten mußte, Herrn Dr. jur. Harry Radzyner aus Düsseldorf, in Verbindung gesetzt, dessen Stiftung auch der Sponsor für die Eingeladenen war. Danach nahmen wir Kontakt zur Stiftung Sächs. Gedenkstätten und dem damaligen OB Dr. Ingolf Roßberg auf.
Am 10. 10. 2002, 10 Uhr 10 wurde die Gedenktafel enthüllt, die an der verkehrsreichen Schandauerstraße, Haltestelle Gottleuberstraße, am Tor der Zigarettenfabrikgeländes F6, angebracht ist.
Phillipp Morris ließ aber das Hausnummernschild 68 abmontieren und den Haupteingang in die Glashütter Str. verlegen. Das erschwert den nach Dresden kommenden SHOA-Überlebenden und –Hinterbliebenen, den Ort ihrer Zwangsarbeit zu finden. Auch dabei leistet der Jüd. FrauenVerein Dresden als Ansprechpartner von Besuchern, vorwiegend aus Israel und den USA, Orientierungshilfe.
Viele Gefangene wurden hier bei der Zwangsarbeit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu Tode geschunden.
Der Jüdische FrauenVerein Dresden sieht es als eine seiner Hauptaufgaben an, als Form der Zeitzeugenarbeit mit Gymnasiasten an die Gedenktafel zu gehen, weil in diesem Außenlager des KZ’s Flossenbürg in den Jahren 1944/45 Jugendliche gleichen Alters dort arbeiten mussten. Mit einem ehemaliges KZ vor der Haustür, bzw. auf dem täglichen Schulweg konfrontiert zu sein, geht schon mehr unter die Haut, als wenn es im fernen Polen liegt.
„Fragt uns, wir sind die Letzten“ war Anliegen und Inhalt aller Gespräche von den heute über 70-Jährigen mit den Jugendlichen, d.h. mit jenen also, in deren Alter sie damals, bei ihrer Deportation aus dem Ghetto Lodz, selbst waren.
Es war für sie ein Gebot der Selbstachtung und historisch-moralischen Verpflichtung zugleich, der Enkelgeneration gegenüber sich zu erinnern, – an den Völkermord der Nazis, aber auch an mutige Deutsche, die im Frühjahr 1945 unter Einsatz des eignen Lebens ihnen, den Juden, das Überleben ermöglichten.
„Fragt uns, wir sind die Letzten“
Durch die Spurensucher des Christlichen Jugenddorfwerkes Freiberg nach jahrelangem Suchen ausfindig gemacht und von ihnen eingeladen, weilten 30 israelische Gäste im September 2000 in Sachsen. Es waren vorwiegend Frauen von 70 bis 80 Jahren, die einst als Häftlinge in den sächsischen Außenlagern des KZ Flossenbürg Zwangsarbeit hatten leisten müssen.
Solche Außenlager befanden sich u.a. in Freiberg („Freia“), in Oederan („Kabis“), in Hainichen („Framo“) und in Dresden, Schandauer Str. 68 („Bernsdorf“). Als Transport aus dem Ghetto Lodz kommend, wurden sie im Winter 1944/45 auf der sog. Rampe in Auschwitz von einem gewissen Dr. Mengele zur Zwangsarbeit in diesen Rüstungsbetrieben „begnadigt“.
Die Mehrzahl der damals 15- bis 25-Jährigen erlebte dort ihre Befreiung nicht mehr.
55 Jahre hatten die heute in Israel Lebenden geschwiegen, ihre Erinnerung selbst an die Namen dieser sächsischen Städte zu verdrängen versucht. Nun sollte unsere Einladung ihnen etwas von der geraubten Würde zurückgeben und ein Entschuldigungsversuch der Menschen eines Landes sein, welches Nazi-Verbrecher hervorbrachte, unterstützte, schweigend duldete.
Viele der noch lebenden „Flossenbürger“ trauten sich die Strapazen einer Flugreise nicht mehr zu, oder fürchteten beim Anblick der Fabrikgebäude, in denen sie einst zur Sklavenarbeit gezwungen worden waren, erneute seelische Qualen.
Um den Überlebenden gleiche materielle Bedingungen einzuräumen, sollte sich ihre Reise ausschließlich aus Spenden finanzieren. Welche unvorhergesehenen Demütigungen ein solches Spendeneinsammeln mit sich bringt, weiß jeder, der die Antwortpalette abschlägig beschiedener Sponsorenbriefe schon am eigenen Leib zu spüren bekam. Und das tut besonders von jenen zu lesen weh, die täglich über ihren Kampf gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit reden, aber für die praktische Realisierung ihrer Worte keinen Pfennig übrig haben.
Doch da sind jene Menschen, die schon in der Nazi-Zeit Großes im Stillen leisteten, und die jetzt die Bedeutung einer solchen Begegnung erkennend, diese ohne viel Worte mit finanzierten. So konnten sich eine Woche lang die ehemaligen Häftlinge an den Orten des einstigen Martyriums davon überzeugen, dass sie es jetzt mit einem anderen Deutschland als dem von 1945 zu tun haben.
Viele Helfer realisierten ein umfangreiches Programm, wie u.a.
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die von Sächsischen Wissenschaftsminister eröffnete Ausstellung über Jüdisches Leben in Sachsen „Wider das Vergessen“ in der Freiberger Petri-Kirche,
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die Empfänge und Gespräche mit dem Landrat von Freiberg, den Bürgermeistern von Freiberg, Oederan und Hainichen, den Vertretern der Sächsischen Staatskanzlei und des Landtags,
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Kranzniederlegungen und Kaddisch-Gebete an Gräbern und Gedenkorten,
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Einladungen in Schulen, zu Einwohnerforen und in christliche und jüdische Gemeinden, und eine Podiumsdiskussion im Dresdner Stadtmuseum.
Höhepunkte für die Gäste aus Israel war zweifellos das Wiedersehen mit VVN-Kameraden und nichtjüdischen Mithäftlingen aus den Rüstungsbetrieben.
Erschüttert ihrer dort umgekommenen Kameradinnen gedenkend, durchschritten die Israelis die halbverfallenen Fabrikgebäude, – gleichsam aber freudig berührt über die unerwartet große Anteilnahme der Bevölkerung, die zusammen mit Presse und Fernsehen an den sonst wenig beachteten Orten erschienen war.
30 jüdische Frauen schilderten zitternd vor Erregung in polnischer Muttersprache spontan ihren Leidensweg, angefangen vom Ghetto Lodz, über Auschwitz bis zu den Flossenbürger Arbeitslagern und der oft an Wunder grenzenden Rettung.
Vor einem immer größer und vom Alter her immer jünger werdenden Zuhörerkreis berichteten sie als Zeitzeugen über ihr Schicksal.
Einst selbst von Rassisten verfolgt, leisteten sie einen so beeindruckenden Beitrag gegen rassistische Ideologien, der ob seiner Authentizität jeden Zuhörer ergriff.
Wer von den sächsischen Schülern in diesen 8 Tagen mit ihnen zusammentraf, sie in die Außenlager begleitete, an Workshops und spontanen Diskussionen teilnahm, – der hatte ein Live-Erlebnis in punkto Abbau von Antisemitismus und nazistischem Gedankengut, wie es auch der engagierteste Lehrer theoretisch nie vermitteln könnte.
Diese Zeitzeugengespräche suchten nach Ursachen, warum nach einem halben Jahrhundert der Zerschlagung des Hitler-Faschismus wieder Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sich so massiv bemerkbar machen können, obgleich doch kaum ein jugendlicher Neonazi mit einem überlebenden Juden jemals sprach.
Ist es das Unbekannte und zu lange Verdrängte, das Angst einflößt, die wiederum in Abwehr umschlägt und Angriff zur besten Verteidigung macht ?!
„Fragt uns, wir sind die Letzten“ war Anliegen und Inhalt aller Gespräche von den heute über 70-Jährigen mit den Jugendlichen, d.h. mit jenen also, in deren Alter sie damals, bei ihrer Deportation aus dem Ghetto Lodz, selbst waren.
Es war für sie ein Gebot der Selbstachtung und historisch-moralischen Verpflichtung zugleich, der Enkelgeneration gegenüber sich zu erinnern, – an den Völkermord der Nazis, aber auch an mutige Deutsche, die im Frühjahr 1945 unter Einsatz des eignen Lebens ihnen, den Juden, das Überleben ermöglichten.
Inzwischen haben zahlreiche Briefe und Anrufe aus Israel bewiesen, dass unsere Gäste diese eindrucksvollen Tage in Dresden, Freiberg, Oederan und Hainichen in guter Erinnerung behalten haben. Und ihre Worte zeigen:
Die Namen dieser Flossenbürger Außenlager haben seit jener Begegnung im September 2000 einen milderen Klang, der ihre ehemaligen Häftlinge das Schreckliche zwar nicht vergessen läßt, ihnen aber ein Vergeben ermöglicht.
Wir haben überlebt…“
Nach 55 Jahren besuchten ehemalige Häftlinge des KZ Flossenbürg dessen sächsische Außenlager, in die sie 1944/45 zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren.
Aus dem Ghetto Lodz kamen sie als Transport nach Auschwitz, und von dort zur Rüstungsproduktion nach Freiberg („Freia“), Oederan („Kabis“), Hainichen („Framo“) und Dresden („Bernsdorf“).
Die Mehrzahl der damals 15- bis 25-Jährigen erlebte dort ihre Befreiung nicht mehr.
Nur 30 der heute in Israel lebenden „Flossenbürger“ trauten sich die erneuten seelischen Qualen zu, die der Anblick der Rüstungsbetriebe, in denen viele ihrer Kameradinnen umkamen, bei ihnen auslösen würde.
Doch es gelang dem Christl.-Jugenddorfwerk Freiberg mit dieser Einladung, den Überlebenden an den Orten ihres einstigen Martyriums etwas von der ihnen geraubten Würde zurückzugeben.
Erschüttert durchschritten wir gemeinsam die halbverfallenen Fabrikgebäude, organisierten das Wiedersehen mit ehemaligen Mithäftlingen, um an Gedenktafeln und Gräbern Kränze niederzulegen und Kaddisch zu beten.
Wir hatten nicht mit so großem Interesse gerechnet, das unseren Gästen bei ihren Einladungen in Schulen, zu Einwohnerforen, in christliche Gemeinden, zur öffentlichen Podiumsdiskussion, zur Ausstellungseröffnung über Jüdisches Leben in Sachsen „Wider das Vergessen“, zu den Gesprächen mit sächsischen Abgeordneten, dem Landrat und den Bürgermeistern entgegengebracht wurde.
Vor einem immer größer und vom Alter her immer jünger werdenden Zuhörerkreis leisteten die einst von Rassisten Verfolgten einen unerwartet eindrucksvollen Beitrag gegen rassistische Ideologien, der ob seiner Authentizität jeden Zuhörer ergriff.
Wer von den sächsischen Schülern in diesen acht Tagen mit ihnen zusammentraf, sie in die Außenlager begleitete, an Workshops und spontanen Diskussionen teilnahm, – der hatte ein Live-Erlebnis in punkto Abbau von Antisemitismus und nazistischem Gedankengut, wie es auch der engagierteste Lehrer theoretisch nie vermitteln könnte.
Denn bei ihrer Deportation waren die heute 70- bis 80-Jährigen im gleichen Alter wie die Jugendlichen, mit denen sie sprachen.
Für die ehemaligen KZ-Häftlingsfrauen wurde es zur historisch-moralischen Verpflichtung sich der Enkelgeneration gegenüber zu erinnern, – an den Völkermord der Nazis, aber auch an mutige Deutsche, die im Frühjahr 1945 unter Einsatz des eignen Lebens ihnen, den Juden, das Überleben in diesen Flossenbürger Außenlagern ermöglichten.
ortrag zur Vernissage unserer Ausstellung
„Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“
am Donnerstag, dem 15. August 2013, 17.00 Uhr,
im Lichthof des Rathauses
und
am Freitag, dem 06. September 2013, 15.00 Uhr,
im Ständehaus des Schlossplatzes
Die Humanität stirbt nie.
Sie starb auch nicht in Deutschland – in seiner dunkelsten Zeit.
Aber wo blieb der Aufschrei dieser deutschen Kulturnation, als sich ihre Verbrecher–Diktatur anmaßte, eine 3. Gattung von Lebewesen zu erfinden, die nicht zu den Menschen, ja nicht einmal zu den Tieren gehören sollte…?
Die Erschaffung des „Untermenschen“… eines Geschöpfes also, dass noch weit unter dem Tier stehen sollte.
Und das für jene jüdischen Mitbürger – die seit Jahrhunderten in Deutschland größten Anteil an Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft hatten…!
Wo blieb die Fassungslosigkeit der Deutschen, als eine mit ihnen lebende ethnische Gruppe das Recht auf ihr eigenes Leben verlor und ihnen ihr Mensch-Sein abgesprochen wurde…?
Judenpogrome hatte es seit dem Jahre 70 unserer Zeitrechnung immer wieder gegeben.
Oft war den Juden ihr Bleiberecht verwehrt worden. Auch Sachsen verjagte im 14. Jahrhundert seine jüdischen Mitbürger.
Aber noch nie, nicht einmal im „finsteren Mittelalter“, war den Juden das Lebensrecht verneint und ihnen gesagt worden, dass sie keinerlei Recht zum Leben haben,
– eben, weil ihr Leben „unwert“ ist.
Wo blieb der Protest, der Widerstand gegen diese staatliche Idiotie in einer der fortschrittlichsten europäischen Kulturen…?
Oder anders gefragt:
Wo blieb der gesunde Menschenverstand der Deutschen?
Aber doch gab es sie: Die Humanität … auch in jenen 12 Jahren der tiefsten Schande, in der ein ganzes Volk zu versinken schien.
Inmitten fanatischer Nazi-Hysterie bewahrten sich deutsche Menschen nicht nur ihre Moral, ihr Verantwortungsgefühl und ihre Nächstenliebe, –
sondern setzten diese auch in die Tat um,
und zwar umso bewusster auch hinsichtlich der Konsequenzen, – je stärker Hitlers Rassenwahn um sich griff.
Es waren deutsche Einwohner aus allen Bevölkerungsschichten, die ihr eigenes Leben riskierten, um verfemtes jüdisches Leben zu retten.
Dabei mussten sich diese mutigen Menschen oft in Sekunden entscheiden, jemanden bei sich aufzunehmen !
Das betraf jüdische Freunde, Kollegen, Bekannte, die plötzlich den „Befehl, zur Sammelstelle zu kommen, und nur einen Koffer mitzubringen“ erhielten, – und die nun verzweifelt in den Wohnungen von „Ariern“ untertauchten.
Aber es suchten auch völlig fremde Menschen, wie z.B. geflohene jüdische Häftlinge, eine solche Unterkunft.
Nach ihrer Flucht aus Deportationszügen oder Zwangsarbeiter-lagern hing ihr Leben vom Mitleid jener Deutschen ab, auf die sie trafen.
Und das ist das Besondere,
was diese Ausstellung zu vermitteln sucht:
Es kann eine Regierung noch so demagogisch-verlogen sein …
Es wird immer Menschen geben, die bei erkanntem Unrecht sich nicht manipulieren lassen,
sondern – wie es Goethes Faust sagt:
„Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst“.
Leider brachten damals viel zu wenige ihren begründeten Hass auf diese Verbrecher-Diktatur zum Ausdruck.
Doch die sich entschlossen, für das Überleben der Juden zu sorgen, gingen ein hohes Risiko ein:
Denn wie einen oder gar mehrere Verfolgte verstecken…?
Noch war die Plattenbauweise nicht erfunden
→ und so gab es in der Nazi-Zeit noch keine Hochhäuser mit anonymen Mitbewohnern und einer heutzutage meist fernab gelegenen Wohnungsverwaltung….
die sich zwar um die Miete, nicht aber um ihre Mieter kümmert !!
Wer damals also einen Juden verstecken wollte, musste sich in seinem Mietshaus vor höchst interessierten oder auch nur neugierigen Nachbarn in Acht nehmen.
Mitunter wohnten die einzelnen Mieter über Jahrzehnte im gleichen Haus, und kannten so auch jeden Besucher ihrer Mitbewohner.
Gelang trotzdem das Verstecken in der eigenen Wohnung, so stellte sich die Frage nach der Ernährung dieser meist ausgehungerten Verfolgten.
Das Überleben hatte nunmehr auf der Basis einer kriegsbedingt und durch Lebensmittelkarten rationierten Essenszuteilung zu erfolgen.
Und wohin bei nächtlichem Sirenengeheul als eventuellem Vorboten eines Bombenangriffs mit dem Versteckten…?
Dieser musste in verzweifelter Angst allein im Versteck bleiben, während die Hausbewohner im Luftschutzkellers Schutz suchten… und sich der Retter nichts anmerken lassen durfte.
Noch war das Lastschriftverfahren nicht erfunden, und so traten die einzelnen Mieter jeden Monat beim Hauswirt zur Mietzahlung an…
Unbekanntes erweckt Misstrauen.
Das führt zu unangenehmen Fragen nach unerklärlichen Wohnungsgeräuschen für den, der dann auch den Mut zur wohldurchdachten Lüge und Tarnung aufbringen musste.
Und so bestimmte die tägliche Angst von Retter und zu Rettenden die Wochen und Monate des Versteckt-Seins.
Denn entdeckt und verraten zu werden, bedeutete nicht nur für den Juden den sicheren Tod, sondern auch für seinen Retter selbst.
So fragen wir uns heute:
-
Wer waren diese Menschen, die den Nationalsozialisten ihren Widerstand auf sehr beeindruckende Weise entgegensetzten ?
-
Wie viel Todesmut brachten diese stillen Helden auf ?
Bis heute ist es unklar:
Warum eigentlich nahm niemand nach dem Krieg in Deutschland von ihnen Notiz ?
Nach ihnen wurden nämlich weder Straßen noch Plätze,
weder Schulen oder Truppenteile benannt…!
Nicht in ihrer Heimat, sondern im fernen ISRAEL, wurden diese mutigen Menschen geehrt, und zwar durch jene 1953 erbaute Holocaust-Gedenkstätte YAD VASHEM, die an 6 Millionen Holocaust-Opfer erinnern will.
Außer diesem 60. Gründungsjubiläum von YAD VASHEM Jerusalem ist es besonders auch der 50. Jahrestag, der von hier ausgehenden erstmaligen Anerkennung als
„Gerechte unter den Völkern der Welt“.
Noch stärker ist die vor 50 Jahren zum ersten Mal erfolgte Überreichung einer solchen Ehrenurkunde.
Sie ist die höchste Auszeichnung, die der Staat Israel an jene Nicht-Juden vergibt, die sich in der Nazi-Zeit für verfolgte Juden eingesetzt haben.
1963 gedachte erstmalig ein Land nicht nur seiner Opfer, sondern ehrt seitdem auch 25.000 Retter, darunter 525 nichtjüdische Deutsche.
Zehn dieser „Gerechten unter den Völkern“ porträtiert der Jüdische FrauenVerein Dresden 2013 mit seiner neuen Ausstellung
„Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“.
Fast auf den Tag genau sind es heute 50 Jahre, da es Israel öffentlich machte, wer in der Nazi-Zeit ein Leben rettete….
…. und so kam unsere Ausstellung zu ihrem Namen.
Ein Ziel der Ausstellung besteht darin, den leider in der Welt verbreiteten Ruf über die Deutschen, während des Holocaust nur aus Judenmördern oder untätigen Mitläufern bestanden zu haben, durch anschauliche Beispiele zu widerlegen.
So dient diese Präsentation der Erinnerung an Menschen, die sich im Dritten Reich gegen die herrschende Nazi-Ideologie entschieden, … und sich bedingungslos für Juden einsetzten.
Zu diesen mutigen deutschen Mitbürgern gehörten Kurt und Hertha Fuchs aus Dresden-Oberpoyritz, die Flüchtlinge aus dem Zwangsarbeiterlager in Dresden-Striesen, Schandauer Straße 68, aufnahmen.
Und zu ihnen gehören genauso, wie u.a. acht mutige Frauen, die sich einem verbrecherischen System widersetzten
-
stellvertretend für all jene,
deren Namen auf den „Tafeln der Gerechten“ mit der Überschrift GERMANY
in der Holocaust-Gedenksätte YAD VASHEM Jeruslem stehen.
Für unser Jugend könnte durch diese Ausstellung der Denkprozess über die Beweggründe, Handlungsweisen und -motive der hier porträtierten mutigen Deutschen angestoßen werden, – dass es möglich ist, bei erkanntem Unrecht, Risikobereitschaft zu zeigen und NEIN zu sagen, anstatt aus Bequemlichkeit oder Feigheit mitzumachen !
Dieses Anliegen ist heute noch aktuell – auch in einer Zeit, da es keines Todesmutes mehr bedarf, sich gegen Ungerechtigkeiten zu engagieren und für Gerechtigkeit öffentlich aufzutreten.
Deutsche im Dritten Reich als Beschützer verfolgter Juden —
das ist eine bisher viel zu wenig beachtete, ganz andere Betrachtungsweise der Nazi-Zeit.
Das ist ein sehr wichtiges und leider oft vernachlässigtes Thema.
Besonders beschämend war dieses Totschweigen in der DDR, deren Israel-Hass den Judenrettern ihre wohlverdiente Auszeichnung durch YAD VASHEM vorenthalten hat.
Nicht zufällig wissen deshalb die meisten hier lebenden Nachwende-Geborenen – ebenso wie ihre Eltern – von den heldenhaften Taten der als Retter jüdischer Menschen anerkannten Deutschen überhaupt nichts.
Immer wieder staunen auch wir Juden über diese Ausklammerung deutschen Heldentums in der Geschichte des Totalitarismus.
Und so möchte unsere Erinnerungspräsentation zum Ausdruck bringen, was auch Bertold Brechts treffend formulierte:
„Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Die Mitglieder des Jüdischen FrauenVereins Dresden bedanken sich für die große finanzielle Förderung beim
Lokalen Handlungsprogramm
für Toleranz und Demokratie und gegen Extremismus der Landeshauptstadt Dresden
Nur so war es möglich, eine Präsentation finanziell abzusichern, die uns allen bewusst machen soll, dass niemals ein Mensch mehr das Recht hat, zu sagen, der Einzelne könne nichts gegen erkanntes Unrecht tun !
AUTORIN DES PROJEKTES
Dr. Elke Preusser-Franke,
Vorsitzende
des Jüdischen FrauenVereins Dresden
REDAKTEURIN DES PROJEKTES
Ianina Loxina,
Stellv. Vorsitzende
des Jüdischen FrauenVereins Dresden
NACH EINER IDEE VON
Boris Loxine,
Freundeskreis
des Jüdischen FrauenVereins Dresden
LAYOUT UND DRUCK
LWD – Lässig Werbung Dresden
Heinrich-Zille-Straße 5, 01219 Dresden
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MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG DES
WALLSTEIN VERLAGES
für Fotos aus dem Band „Die Gerechten unter den Völkern“
© Yad Vashem und Wallstein Verlag. Alle Rechte vorbehalten.
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Jüdischer FrauenVerein Dresden e.V.
„WER EIN LEBEN RETTET, RETTET DIE GANZE WELT“
Eine Ausstellung des Jüdischen FrauenVereins Dresden e.V.
über jene Deutsche, die für ihre Rettung verfolgter Juden als „Gerechte unter den Völkern“
durch die Holocaust–Gedenkstätte YAD VASHEM Jerusalem geehrt wurden
Gefördert durch das
Lokale Handlungsprogramm für Toleranz und Demokratie und gegen Extremismus
der Landeshauptstadt Dresden
IMPRESSUM
JÜDISCHER FRAUENVEREIN DRESDEN e. V.
Lingner-Allee 3, 01069 Dresden
Tel 0170 / 523 12 26
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Nicht namentlich gekennzeichnete Fotos gehören urheberrechtlich dem Jüdischen FrauenVerein Dresden e. V.
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“WER EIN LEBEN RETTET, RETTET DIE GANZE WELT”
Eine Ausstellung des Jüdischen FrauenVereins Dresden e.V.
über jene Deutschen, die für ihre Rettung verfolgter Juden
als “Gerechte unter den Völkern”
durch die Holocaust–Gedenkstätte YAD VASHEM Jerusalem
geehrt wurden
Gefördert durch Haushaltsmittel der Landeshauptstadt Dresden
vom Lokalen Handlungsprogramm
für Toleranz und Demokratie und gegen Extremismus
IMPRESSUM
AUTORIN DES PROJEKTES
Dr. Elke Preusser-Franke,
Vorsitzende des Jüdischen FrauenVereins Dresden e. V.
REDAKTEURIN DES PROJEKTES
Ianina Loxina,
Stellvertretende Vorsitzende
des Jüdischen FrauenVereins Dresden e. V.
NACH EINER IDEE VON
Boris Loxine,
Freundeskreis des Jüdischen FrauenVereins Dresden e. V.
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Mit freundlicher Genehmigung des Wallstein Verlages
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